Der an der Nette-Schule im sauerländischen Altena tätige Lehrer Richard Schirrmann veranstaltete im Sommer eine achttägige Wanderfahrt von Altena nach Aachen. In der ersten Nacht kam die Gruppe in einer Scheune unter, in der ein freundlicher Bauer sie mit Decken versorgte und Pflaumen und frische Milch spendete. Als Sie In der zweiten Nacht das Bröltal erreichten, braute sich über Ihnen ein Gewitter zusammen. Ein Bauer, den sie um Erlaubnis gebeten hatten, in seiner Scheune schlafen zu dürfen, war wenig entgegenkommend. Schließlich gab ihnen aber ein wenig Stroh, das sie zur leerstehenden Dorfschule mitnahmen, in der die Gruppe mit Erlaubnis der Lehrersfrau die Nacht verbrachte.
Richard Schirrmann erinnert sich an diese Nacht: „Das Unwetter tobte während der ganzen Nacht mit Blitz und Donnerschlag, mit Sturm und Wolkenbruch und Hagelprasseln, als wenn die Welt untergehen sollte. Während die wandermüden Jungen fest schliefen, lag ich hellwach... Plötzlich überfiel mich der Gedanke: Jedem wanderwichtigen Ort in Tagesmarschabständen gleich Schule und Turnhalle auch eine gastliche Jugendherberge zur Einkehr für die wanderfrohe Jugend Deutschlands ohne Unterschied.“
Jener 26. August 1909 kann also als die Geburtsstunde der Jugendherbergsidee bezeichnet werden – und der Jugendherbergsbewegung in aller Welt. 1910 schrieb Schirrmann einen Aufsatz, in dem er seine Gedanken über „Volksschülerherbergen“ darlegte. Zunächst lobte er Guido Rotters Unterkünfte für Gymnasiasten und Studenten, fuhr aber fort:
„Auch die Knaben und Mädchen des gemeinen Mannes müssen frischfröhliches Wandern als Gegengewicht für die Stubenhockerzeit ihrer Schuljahre üben. ... Wie denke ich mir nun zweckmäßige und ausreichende Herbergen für das gewaltige Heer der Volksschüler?
... Jede Stadt und fast jedes Dorf hat eine Volksschule, die in den Ferien mit leeren Räumen geradezu darauf wartet, in einen Schlaf- und Speisesaal für wanderlustige Kinder verwandelt
zu werden. Zwei Klassenzimmer genügen, eins für Buben, eins für Mädel. Die Bänke werden teilweise übereinander gesetzt.
Das gibt freien Raum zur Aufstellung von 15 Betten. ... Jede Lagerstatt besteht aus einem straff mit Stroh gestopften Sack und Kopfpolster, zwei Bett-Tüchern und einer Wolldecke... Jedes Kind wird angehalten, seine Lagerstatt wieder fein säuberlich in Ordnung zu bringen..."
Nach der Veröffentlichung dieses Aufsatzes in der „Kölnischen Zeitung“ erreichten ihn zahlreiche Unterstützungsangebote, Geld- und Sachspenden aus ganz Deutschland. Mit den Mitteln konnten in drei Schulen Herbergen eingerichtet werden. Am Standort Altena wurde die erste ständige Jugendherberge im Jahr 1914 eröffnet, in der Schirrmann Herbergsvater war. Die Jugendherbergen waren geboren.