Drittes Reich

1930 kündigte sich das beginnende Dritte Reich bereits an: Der badische Verband veranstaltete ein einwöchiges, deutsch-französisches Jugendtreffen in der Jugendherberge Sohlberg. Das Treffen verlief harmonisch, wurde aber im Nachhinein in der nationalsozialistischen Presse und von den nationalsozialistischen Organisationen wütend beschimpft und die Veranstalter bedroht.
Bei der Einweihung der Jugendherberge Esslingen 1933 sprach der Vertreter der Jugend von der „Pflicht der Jugend zum Kampf gegen alles Undeutsche“, gedachte der Verdienste Hitlers und betonte die Bedeutung der Jugendherbergen als ein „wesentliches Hilfsmittel für die nationale Erhebung“. Eine gewisse Distanzierung ließ sich nur zwischen den Zeilen des von Eugen Nägele geschriebenen Berichtes herauslesen, als er der Hoffnung Ausdruck gab, dass sich das Jugendherbergswerk in Schwaben auch unter der neuen Regierung „ruhig und ungestört weiter entwickeln“ könne – an anderer Stelle bezeichnete er die aktuellen Verhältnisse als „geldlich hoffnungsvoll aussehend“. Weitere Hoffnungen scheint er an die Übernahme nicht geknüpft zu haben.

Am 3. Mai 1933 schrieb der Gau Schwaben an seine Mitarbeiter und Helfer, dass er ein Schreiben des Reichsverbandes erhalten habe bezüglich der „Umgestaltung (Gleichschaltung) im Jugendherbergswerk“:
„Die Leitung des Reichsverbandes stand schon einige Zeit mit der Reichsjugendleitung der NSDAP in Verbindung wegen Unterstützung des Jugendherbergswerkes durch die nationalsozialistische Jugendpresse. Reichsinnenminister Dr. Frick und der Reichsjugendführer der Hitlerjugend, Baldur von Schirach, haben diesem Wunsch entsprochen. Mit dem Aufruf des Reichsjugendführers zu Gunsten der Jugendherbergsarbeit erhielt unser Reichsverband auch die Bitte um Vorschläge für die Umgestaltung im Jugendherbergswerk. Grundsätzlich wurde dabei gefordert, die Beseitigung der Marxisten aus dem Vorstand, dem Verwaltungsausschuss und den Herbergselternstellen. Daraufhin schloss der Reichsverband die SPD-Mitglieder aus dem Vorstand aus und räumte der Hitlerjugend eine Reihe von Vorstandssitzen ein.
Bereits am nächsten Tag schaltete sich die Hitlerjugend in der Reichsverbandsgeschäftsstelle selbst ein. Die Abordnung der Hitlerjugend forderte zuerst den Vorsitzenden des Reichsverbandes zur Niederlegung seines Amtes auf. Schirrmann widersetzte sich, schilderte die Entstehung des Jugendherbergswerkes und erreichte einen Aufschub von zwei Tagen zu einer Besprechung in Bad Kösen. Der Reichsverbandsgeschäftsführer Münker war dienstlich ortsabwesend. Entgegen zahlreicher Zeitungsnachrichten sei festgestellt, dass eine Haussuchung in der Reichsverbandsgeschäftsstelle in Hilchenbach nicht stattgefunden hat.
Die Verhandlungen im Bad Kösen hatten folgendes Ergebnis: Der Vorsitzende des Reichsverbandes tritt zurück und übernimmt den Ehrenvorsitz. Den ersten Vorsitz übernimmt der Reichsjugendführer Baldur von Schirach. Die Marxisten scheiden aus Vorstand, Verwaltungsausschuss und aus den Gauleitungen aus. Herbergseltern, die sich gegen die neue Staatsform wenden, sind zu ersetzen. Die Geschäftsstelle des Reichsverbandes für deutsche Jugendherbergen wird bis spätestens 1. Juli 1933 nach Berlin verlegt. Dabei handelt es sich nicht nur um einen Ortswechsel, sondern in erster Linie um die Eingliederung in das von der Reichsregierung geplante großzügige und einheitliche Werk der Jugendertüchtigung und Jugenderziehung.
Die politische Lage ist für unseren Gau einfach, denn er ist frei von marxistischen Einflüssen und auch in unserem schwäbischen Jugendherbergswerkes ist nicht eine Jugendherberge aufgenommen worden, die irgendeiner marxistischen Organisation gehört oder nahe steht. Dienst an der Jugend ist Dienst an Volk und Vaterland und wer für Volk und Vaterland arbeitet, hat damit seine nationale Gesinnung bewiesen, denn ohne nationale und soziale Gesinnung ist die Arbeit für das Jugendherbergswerk und damit für unser Volk und Vaterland nicht möglich.“
Das Ziel der Gleichschaltung wird in der offiziellen Veröffentlichung der Nationalsozialisten nach Übernahme des Reichsverbandes deutlich: „Der deutsche Jugendherbergsverband ist eine der herrlichsten Einrichtungen der deutschen Jugend. Wir sind nicht gekommen, um es zu zerstören, sondern um es […] von den verbrecherischen Elementen zu befreien […] Wer in Zukunft glaubt, seinen internationalen Gefühlen noch Ausdruck verleihen zu müssen, gegen Sitte und Anstand zu verstoßen und Gelder für internationale Verbrüderung pazifistischer Art vergeuden zu müssen, der hat in Zukunft in den Jugendherbergen nichts mehr zu suchen“.

Bei der Einweihung der Jugendherberge in Friedrichshafen am 14. Mai 1933 sprach neben Nägele dann bereits Bannführer Sundermann von der Hitlerjugend. Neben dem Kartengruß des zum Ehrenvorsitzenden des Reichsverbandes degradierten Richard Schirrmann wurde ein Telegramm des neuen Verbandsvorsitzenden, Baldur von Schirach, verlesen.
In einem Bericht für die „Blätter des Schwäbischen Albvereins“ von der Eröffnung beschrieb Nägele lapidar die tiefgreifenden Veränderungen im Verband Schwaben: „Anfang Juni vollzog sich im Gau Schwaben ein entsprechender Wechsel: Der Württembergische Gebietsführer der NSDAP, Wacha […], wurde mit der Gauleitung beauftragt, die Geschäfte führt aber bis Jahresschluss Nägele als Ehrenvorsitzender weiter, […] die Geschäftsstelle und ihr Leiter Otto Schairer verbleiben in Tübingen.“

Um dem Ganzen einen offiziellen Anstrich zu geben, wurde am 16. Dezember 1933 bei der Hauptversammlung unter der Überschrift „Übernahme durch die Hitlerjugend“ eine offizielle Übergabe nachgeholt, wobei Wacha versicherte, die Hitlerjugend übernehme das Erbe „mit verstehenden Händen.“ Seine als Kompliment gemeinte Versicherung, „das JH-Werk habe sich von marxistischen Einflüssen völlig frei gehalten“ illustriert seine wahre Geisteshaltung. Nägele wurde der Ehrenvorsitz angetragen, den er „mit kräftigem Händedruck“ annahm und sich in der Folgezeit immer mehr zurückzog.
Der Geschäftsführer Otto Schairer wurde – wie in vielen Verbänden, die die Hitlerjugend übernahm – in seinem Amt bestätigt und sogar zum Stellvertreter im Gau Schwaben berufen. Albverein und Jugendherbergswerk waren ab diesem Zeitpunkt formal völlig getrennt.

Der badische Verband wurde zu diesem Zeitpunkt ebenso gleichgeschaltet. Ein Zeitgenosse schrieb: „Im Gau Baden ist der Gesamtvorstand zurück getreten – für den Gau Baden ist ein Kommissar ernannt worden.“ Broßmer wurde seines Postens enthoben und Johannes Rodatz, Führer des Reichsverbandes für Deutsche Jugendherbergen, ernannte Ernst Baur zum Führer des Gaus Baden im Reichsverband für Deutsche Jugendherbergen.

Im DJH-Wanderführer „Von Jugendherberge zu Jugendherberge durch das schöne Schwabenland“ von 1934/35 gab man sich formal selbstbewusst in der Tradition der Aufklärung: „Der Schiller und der Hegel, der Schelling und der Hauff, das ist bei uns die Regel, das fällt bei uns nicht auf.“ Auffallend ist aber ein Passus der abgedruckten Satzung: Mitglieder konnten jetzt ausgeschlossen werden, wenn sie „sich nicht auf den Boden der nationalen Regierung stellen. Auf Anweisung des Reichsverbandes kann der Ausschluss auch in anderen Fällen erfolgen.“ Demokratische Wahlen des Vorsitzenden waren ebenfalls nicht mehr vorgesehen: „Der Führer des Gaues Schwaben e.V. wird vom Führer des Reichsverbands für Deutsche Jugendherbergen ernannt.“
Ab 1937 wurde der günstige Bleibenausweis nur noch an Mitglieder der Hitlerjugend ausgegeben; alle anderen Jugendlichen mussten die teurere Mitgliedskarte mit halbem Beitrag lösen. 

Das Jugendherbergswerk wurde nach Eingliederung in die Hitlerjugend vom neuen Staat tatkräftig gefördert. Zunächst wurde im Dezember 1933 allen Gefolgschaften wie Fähnlein, Jungmädelgruppen etc. die körperschaftliche Mitgliedschaft im Jugendherbergswerk zur Pflicht gemacht. Es kam daraufhin zu einer starken Steigerung der Übernachtungszahlen durch Mädchen – dies war den Übernachtungen durch den Bund Deutscher Mädel (BDM) zu verdanken.
Der auf ausdrückliche Anordnung Hitlers abgehaltene Reichswerbe- und Opfertag am 16. und 17. Mai 1936 kam unter anderem den Jugendherbergen zugute. Den Städten und Gemeinden wurde empfohlen, je Einwohner 1 bis 3 Pfennige zu geben.

Die Räume der Jugendherbergen wurden von der Hitlerjugend zunehmend für ihre Zwecke vereinnahmt und nach und nach nur noch für Veranstaltungen der Hitlerjugend genutzt: An die Herbergsleitungen erging eine vertrauliche Anweisung, Anmeldungen von Schulwanderungen, die in den Ferien stattfanden – in denen die Hitlerjugend ihre Schulungen abhielt – wegen „Belegung der Herberge“ abzusagen – selbst wenn gar keine Belegung vorhanden war. „Es wurde nicht mehr gewandert und geschaut, sondern marschiert und geschult.“ (Karl Broßmer)
Die Weltanschauung der Nationalsozialisten durchdrang alle Bereiche des Jugendherbergswerkes: In einem 1936 erschienenen Buch des Jugendherbergswerkes wurde dargestellt, wie der Fahrtenführer die Möglichkeit hätte, die Fahrt zu einem politischen Erziehungsinstrument umzugestalten.
Aus einem Speisezettel aus dem Jahr 1934 kann man erkennen, dass die bisher als gesellschaftliche Norm geltenden katholischen Speiseregeln nicht mehr befolgt wurden; das Vesper war sehr fleischhaltig: Leberwurst, Griebenwurst, Presswurst, rote Wurst, schwarze Wurst und Schinkenwurst – die fleischlose Kost mit Käse und Butter waren nicht mehr für freitags, sondern an anderen Wochentagen vorgesehen.
In einem Artikel anlässlich der Eröffnung des Hauses der Jugend in Tübingen steht: „Hier weht der Geist der nationalsozialistischen Jugend, und dieser Geist hat sich ein Haus gebaut inmitten der einstigen studentischen Verbindungshäuser, den verblassenden Symbolen der Klassenherrschaft. Wo ehedem die Rapiere feudaler Korpsstudenten blitzten, leuchten die Augen der neuen Jugend, die nicht mehr nach Stand und Klasse fragt, die nur den Adel der Arbeit kennt, den Körper stählt und den Geist schärft, um Schaffende und Kämpfer zu werden für Deutschland.“

Trotz der immer stärkeren Vereinnahmung und Nutzung für Parteischulungen der NSDAP und als Räume für die Kinderlandverschickung regte sich sogar 1936 immer noch im Kleinen Widerstand – nicht alle Anweisungen der Reichsführung wurden umgesetzt. Ein Herbergsvater berichtete: „Der Landesverbandsleiter sagte zu den versammelten Herbergsvätern: Wenn die Kraft-durch-Freude-Gruppen anfragen, ist unser Haus immer besetzt.“

Von 1935 bis 1937 wurden unter den Nationalsozialisten viele Jugendherbergen auf dem Gebiet des heutigen Baden-Württemberg neu erbaut. Die Nationalsozialisten rühmten sich dieser Erweiterung des Herbergsnetzes sehr. Stolz veröffentlichte Bannführer Max Kochskämper, Hauptreferent für den Jugendherbergsbau im Stabe der Reichsjugendführung, 1937 eine Schrift „Die Jugendherbergen im Baujahr der Hitlerjugend“. Allerdings wurden nicht ganz so viele Jugendherbergen erbaut, wie offiziell behauptet wurde. In der Zeitschrift „Jugend und Heimat“ wurde im April 1937 verkündet, dass in den letzten vier Jahren 339 neue Jugendherbergen gebaut wurden – in internen Zahlen ist aber nur von 122 neuen Häusern die Rede…
Am 20. Oktober 1935 wurden „durch den Jugendführer des Deutschen Reiches, Baldur von Schirach, folgende Jugendherbergen in den Dienst der jungen Nation gestellt: Kandern im Schwarzwald, Laufenburg in Baden,...“ Johannes Rodatz rühmte sich: „Wer Jugendherbergen bauen hilft, sorgt dafür, dass später weniger Krankenhäuser notwendig sind...“ und listete auf, welche Jugendherbergen 1936 fertiggestellt wurden: die Franz-Xaver-Schwarz-Jugendherberge am Titisee (Die nach dem SS-Obersten benannte Jugendherberge wurde erst 1968 wieder vom Landesverband Baden erworben und heißt heute Veltishof.), die Jugendherberge in Mannheim (1935/36 von der Stadt erbaut und 1936 „der Hitlerjugend übergeben“), Nagold und Altensteig. Das damalige „Haus der Jugend“ in Tübingen wurde 1937 zusammen mit Aalen, Blaubeuren und Ellhofen eingeweiht.

Die Nationalsozialisten erbauten aber nicht nur Häuser, sondern versuchten ebenso auf anderen Wegen das Herbergsnetz zu erweitern. Auf Grundlage des Gesetzes über den Einzug volks- und staatsfeindlichen Vermögens vom 14. Juli 1933 wurde der letzte Besitzer des Schlosses Ortenberg, Baron von Hirsch, gezwungen, die Burg dem „Dritten Reich“ zu hinterlassen. Gegen die Summe von 288.000 Reichsmark gelangte sie am 1. Oktober 1942 in die Hände des „Reichsverbands für Jugendherbergen“. Nach dem Krieg wurde Ortenberg beschlagnahmt und konnte erst 1956 vom Landesverband Schwarzwald-Bodensee für den Kaufpreis von 11.000 DM wieder käuflich erworben werden.
Im April 1937 forderte Johannes Rodatz, noch mindestens weitere 2.000 Jugendherbergen zu bauen, um die Wochenendlehrgänge der Hitlerjugend abzuhalten. Dazu kam es jedoch nicht mehr.
Von den im Dritten Reich entstandenen Häusern werden heute die folgenden wieder als Jugendherbergen genutzt: Mannheim, Titisee, Aalen und Tübingen.

Wie sahen die Jugendherbergen in den 1930er Jahren aus? Otto Schairer beschrieb 1937 in einem Artikel in der Zeitschrift „Moderne Bauformen“ die Vorstellungen der Zeit von einer idealen Jugendherberge – benötigt wurden: Tages-, Schlaf-, Wasch-, Abort- und Trockenräume, Verpflegungsküche, Küche für Selbstversorger, Waschküche, Wohnung der Herbergseltern, Keller für Vorräte und Brennstoffe, Luftschutzraum, Abstellraum für Fahrräder und andere Sportgeräte. Es empfahl sich eine freie Lage, womöglich mit Aussicht. Neben den Tagesräumen musste eine Anzahl Schlafräume immer heizbar sein, am besten alle. Daneben sollten hochwertige Baumaterialien verwendet werden, und sich die Architektur harmonisch in die Umgebung eingliedern.