COME.BACK: STABILISIERUNG DES JUGENDREISEMARKTS & ERFOLGSBILANZ


Stabilisierung und Konsolidierung, diese Faktoren bestimmten das Jahr 2022 für den DJH-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern. Nach zwei herausfordernden Jahren, die durch den Zusammenbruch des Kinder- und Jugendreisemarkts geprägt waren, kehrten Jugendgruppen und Schulklassen fast erstaunlich zahlreich zurück. Das Vertrauen in die Standorte an Ostsee und Seenplatte schien trotz Corona-Unterbrechungen nicht gebrochen zu sein. 
Und doch brachten die Folgen der Coronazeit und die nahtlos daran anknüpfende Phase von Kriegsausbruch, Inflation und Kostensteigerungen neue Herausforderungen für den Verband und seine Zielgruppen mit sich. Strategisches und rechtzeitiges Handeln war hier erforderlich, um die gerade erst begonnene Restabilisierung auch nachhaltig abzusichern.

 


Personal gewinnen: langfristige Beschäftigung für nachhaltige Betriebsfähigkeit

Schon zu Anfang des Jahres 2022 konnte ein positiver Vorbuchungsstand erreicht werden. Laut Buchungslage stand einer Öffnung aller 12 Jugendherbergen des Verbands nichts im Weg. Dieser durchaus positive Trend stellte den Verband jedoch auch vor eine zentrale Herausforderung:
Zu Beginn des Jahres 2022 waren 40 Prozent der Stellen unbesetzt, die zur Betreibung der Jugendherbergen nötig waren. Wie in allen Bereichen, die von 
coronabedingten Schließungen schwer getroffen waren, hatten sich auch in den Jugendherbergen in Mecklenburg-Vorpommern Mitarbeitende aus Unsicherheit in andere Branchen umorientiert, vor allem aus den Bereichen Rezeption, Küche und Reinigung. 
Auf diese Situation der Unsicherheit reagierte der Verband mit einer Maßnahme, die Verlässlichkeit seitens des Arbeitgebers gewährleistet: Sämtliche Mitarbeitende bekamen ab 2022 ein unbefristetes und ganzjähriges Arbeitsverhältnis. Auch Beschäftigte in Jugendherbergen, die seit jeher zwischen November und März jeden Jahres saisonal geschlossen haben, sind seitdem ganzjährig beschäftigt. In Mecklenburg-Vorpommern nicht selbstverständlich: Als maßgeblich vom Tourismus abhängiges Bundesland, in dem der Großteil des Ertrags in vielen Betrieben nur zwischen Mai und September erzielt wird, ist befristete Saisonbeschäftigung keine Seltenheit. 
Mit einer umfassenden Jobkampagne - mit speziellem Design, Slogans und Fotos aus dem Herbergsalltag - warb der DJH-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern von Januar bis März verstärkt um Mitarbeitende.
Die Maßnahmen verzeichneten Erfolg: Von Januar bis März konnten so viele Mitarbeitende gewonnen werden, dass 11 von 12 Häusern zu Beginn der Saison Ende März betriebsfähig waren. Große Anerkennung gilt den Mitarbeitenden, die mit einer immer noch knappen Personaldecke größten Einsatz gezeigt haben. Auch die Bereitschaft sich herbergsübergreifend gegenseitig zu unterstützen war enorm. 

Sondernutzung: Jugendherberge Waren als Geflüchtetenunterkunft
Einzig der Jugendherberge Waren in der Mecklenburgischen Seenplatte fehlte personalbedingt die Öffnungsperspektive. Das Haus wurde ersatzweise dem DRK-Kreisverband Mecklenburgische Seenplatte e. V. zur Beherbergung von ukrainischen Flüchtlingen im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte überlassen. 
Die Gleichzeitigkeit der Rückkehr von Jugendgruppen und Schulklassen in die Jugendherbergen und der Bedarf an Geflüchteten-Unterkünften im Land, sorgten jedoch auch für Konfliktpotential. 
Es erforderte enorme Vermittlungsarbeit, um Kommunen und Landkreisen zu verdeutlichen, dass nach nahezu zwei Jahren Stillstand Schulklassen und Jugendgruppen bereits langfristig von März bis Oktober 2022 eingebucht waren. Der Verband hatte seinen jungen Gästen gegenüber eine Verantwortung in zweierlei Form. Zunächst eine rechtliche, die sich auf bestehende Reiseverträge stütze, die zu 98 Prozent bereits im Vorjahr 2021 abgeschlossen worden waren. Eine Auflösung dieser Verträge wäre seitens des Verbands juristisch gar nicht möglich gewesen. Zum anderen aber auch die soziale Verantwortung gegenüber denen, für die die DJH-Jugendherbergen in M-V zweckgewidmet sind: Kinder- und Jugendgruppen, die auf diesen Fahrten Teilhabe erleben, soziale Kompetenzen entwickeln und für die gerade nach der sozialen Isolation der Coronazeit eine Rückkehr zur sozialen Gemeinschaft zentral war. Letztendlich stieß insbesondere letzteres Argument auf Verständnis der Verwaltung.


Vertrauen stärken: konstante Verlässlichkeit für Rückkehr der Kernzielgruppen

Wie der positive Vorbuchungsstand bereits erwarten lies, verlief das Jahr 2022 sehr erfolgreich:
Mit seinen 11 geöffneten Jugendherbergen schloss der DJH-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern das Jahr mit insgesamt 281.350 Übernachtungen ab. Damit lag der Verband nur noch rund 12 Prozent unter dem Übernachtungsergebnis des letzten krisenunabhängigen Wirtschaftsjahres 2019. Zum Vergleich: in 2020 und 2021 konnten nur rund ein Drittel der Übernachtungen im Vergleich zu 2019 erzielt werden. 
Für diese Erholung war maßgeblich die Rückkehr der Kernzielgruppen Schule und Jugendgruppe verantwortlich: Es übernachteten in 2022 mehr als dreimal so viele Jugendgruppen und Schulen in den Jugendherbergen des Verbands als noch im Vorjahr. Damit war für den Betrieb der übliche Zielgruppenmix wieder hergestellt, in dem Schulen und Jugendgruppen mit rund 60 Prozent die Mehrheit bilden. 

Diese signifikante Erholung im  Schul- und Jugendgruppenbereich lässt sich maßgeblich durch drei Aspekte erklären:

1. Nachholbedarf der Zielgruppe und Träger
Der Nachholbedarf im Schul- und Jugendreisemarkt war 2022 enorm: Ein Großteil der Fahrten war in den Jahren 2020 und 2021 bedingt durch die Coronakrise ausgefallen und wurde nachgeholt. Zudem half eine solche Fahrt Defizite abzufedern, die in der Coronazeit durch erhebliche Einschränkungen in Jugendhilfe und Schule verursacht wurden: Stärkung der Gemeinschaft und sozialer Kompetenzen sowie Ermöglichung von Teilhabe waren zentral.
Doch auch für die Jugendverbands- und sozialarbeit war die Rückkehr zu traditionell durchgeführten Fahrten wichtig: Ferienfreizeiten, Vereinsfahrten, Probenwochen etc. bilden einen Jahreshöhepunkt der Jugend(verbands)arbeit, der Teilnehmende anzieht und an den Träger bindet. Durch Ferienfreizeiten wird die Verbandsarbeit allgemein gestärkt und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass junge Menschen auch an anderen Angeboten des Trägers partizipieren, die rund ums Jahr stattfinden.

2. Verlässliche Stammgastpflege
Zum anderen spricht die Rückkehr der Kernzielgruppen für ein generelles, partnerschaftliches Vertrauen, dass den Teams der Jugendherbergen in Mecklenburg-Vorpommern über die Krise hinweg entgegengebracht wurde. Das zeigt sich insbesondere daran, dass eine Vielzahl von Stammgästen im Jugendgruppen- & Schulbereich in 2022 zurückkehrte. Traditionellerweise fahren Schulen und Jugendgruppen über Jahre oder gar Jahrzehnte in ein Stammhaus ihres Vertrauens. Hier kennen sie Ausstattung und Lage und es besteht häufig ein langjähriges Vertrauensverhältnis zum Herbergsteam, das auf individuelle Bedürfnisse der Gruppe eingeht. 
Erfreulicherweise war die Rückkehr einer Vielzahl von Stammgästen auch in jenen Jugendherbergen zu beobachten, die in 2020 und 2021 aufgrund der niedrigen Auslastungsprognose nicht oder nicht dauerhaft geöffnet waren. Dies waren die Jugendherbergen Binz,  Burg Stargard, Greifswald und Wismar. Die zum Teil zweijährige Schließphase hinterließ dank langjähriger Stammgast-Beziehungspflege der Herbergsteams geringere Spuren als erwartet. Zudem sorgten auch in diesen Häusern die erhöhte Nachfrage und der Aufholbedarf 2022 für Neukundenzuwachs.

3. Langfristige Preisfestlegung & Preisstabilität
Ein weiterer Grund für die Restabilisierung der Übernachtungszahlen war eine rechtzeitige und  planungssichere Preispolitik. Seit jeher legt der DJH-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern seine Preise weit über ein Jahr im Voraus fest. Auch durch die instabile Situation der Coronajahre 2020 und 2021 und der beginnenden Inflation & Energiekrise in 2022 hindurch war das der Fall. Das bedeutet, die Preise für das Jahr 2022 standen bereits im Oktober 2020 fest. Eine nachträgliche Preisänderung bestehender Verträge oder kurzfristige Aufschläge wie z.B. Corona-Hygieneaufschläge für zusätzliche Reinigung, wie sie zum Teil in der Beherbergungsbranche beobachtet werden konnten,  gab es in den Jugendherbergen des DJH-Landesverbands M-V nicht.
Auch hier ist Verlässlichkeit gegenüber den Kernzielgruppen Grund für das Handeln: Schulen und Jugendgruppen buchen langfristig, nicht selten ein Jahr im Voraus. Zu diesem Zeitpunkt muss feststehen, was die Reise kostet. Elternhäuser müssen kalkulieren können. Fördergelder müssen akquiriert werden, wenn - wie bei Jugendreisen gang und gäbe - Teilnehmerbeiträge reduziert werden sollen, um Teilhabe von Kindern aus unterschiedlich einkommensstarken Familien zu gewährleisten. Eine kurzfristige Preisanpassung wäre für eine Vielzahl dieser Gäste praktisch gar nicht umsetzbar. 
Für das Jahr 2023 blieb der Verband ebenfalls bei den langfristig festgelegten Preisen. Und das, obwohl durch Energiekrise und Inflation enorme Kostensteigerungen für die Betreibung der Jugendherbergen anfielen. Somit konnten die in 2022 zurückgekehrten Stammgäste und neu gewonnen Gruppen und Klassen auch für die Zukunft gebunden werden: Durch verlässliche Preisaussagen, die wiederum eine langfristige Buchung für das Folgejahr 2023 möglich machten. 

Die Restabilisierung setzt sich in 2023 fort: Im Januar 2023 waren bereits 75 Prozent der für das Jahr geplanten Übernachtungen fest gebucht. Mehrheitlich von Schulklassen und Jugendgruppen. Das sind sogar rund 7 Prozent mehr als im Januar 2020 für das Jahr 2020, ein Monat, der noch vor Beginn der Coronakrise lag und damit einen Vergleich zum Vorbuchungsstand in „Normaljahren“ möglich macht.


Destabilisierung verhindern: politische Aufmerksamkeit für die kritische Situation von Kindern & Jugendlichen

Langfristige Preisfestlegung bedeutet jedoch nicht den Verzicht auf Preiserhöhungen. Als gemeinnütziger Betrieb der keine institutionelle Förderung erhält, müssen die selbst erwirtschafteten Erträge des DJH-Landesverbands M-V das Überleben letztlich sichern. 
Lohnerhöhungen, inflationsbedingte Preissteigerungen, insbesondere in den Bereichen Lebensmittel- und Energiekosten – die in Gruppenunterkünften einen immensen Kostenanteil ausmachen – machten Preiserhöhungen in den letzten Jahren unumgänglich. Schrittweise fand von 2019 bis 2023 eine Erhöhung um jährlich etwa 5 Prozent statt, das bedeutet eine Preissteigerung von 20 Prozent innerhalb von 5 Jahren.

Auch wenn die Preiserhöhungen der Jugendherbergen in M-V langfristig festgelegt wurden, mit zunehmender Steigerung der Inflation im Jahr 2022 erhöhten sich für die Zielgruppe des Verbands die Lebensunterhaltungskosten gleichermaßen. Die Sorge, ob sich noch alle Elternhäuser die Klassenfahrt oder Jugendfreizeit würden leisten können, trieb den Verband bereits Mitte 2022 stark um. Analog dazu schlugen Jugendverbände und soziale Träger im Laufe des Jahres 2022 Alarm, dass Kinder und Jugendliche nach wie vor unter den Folgen der Coronakrise litten. Eine inflationsbedingte steigende Armut, so die Warnungen, könne erneut das Recht auf Teilhabe am sozialen Leben und unterstützenden Angeboten der Jugendarbeit verwehren, wie schon zu Coronazeiten.

Bei aller Zuversicht hinsichtlich der Stabilisierung im Personalbereich, dem entgegengebrachten Gästevertrauen und der positiven Bilanz  in 2022 war Wachsamkeit geboten:
So setzte sich der DJH-Landesverband M-V gemeinsam mit Partnern aus Jugendarbeit und Sozialverbänden verstärkt dafür ein, den politischen Raum für die nach wie vor bedrohliche Situation von Kindern und Jugendlichen zu sensibilisieren und konkrete Maßnahmen einzufordern.


hierzu weiterlesen: think.forward: Einsatz für Kinder und Jugendliche sichert Zukunft >>

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