DJH-Fastenwanderung: mein Jahresvorsatz
Fastenwandern: Der Morgen startet an der frischen Luft
Fastentee, Wasser und Saft
Kein Rucksack ohne Thermoskanne
Aufbruchsstimmung zur Wanderung
Jährliche Fastenreise
Gemeinsam große Herausforderungen schaffen
Saftpause und Honigpause
Rohkostwandern im Harz – auch das gibt´s
15 Kilometer Wanderung sind geschafft
Fastenwandern: Alles kann, kaum etwas muss
Heiße Dusche in der Jugendherberge
Und jetzt? Wandern mit Alpakas!
Fazit Fastenwandern mit der Jugendherberge
Wander-Angebote aus den Jugendherbergen
Zum Jahreswechsel habe ich ein Versprechen abgegeben: dass ich an einer DJH-Fastenwanderung teilnehmen würde. Anfang März habe ich dieses Versprechen mit einer Reise in die Jugendherberge Thale (Sachsen-Anhalt/ Harz) eingelöst. Einen Tag lang habe ich vierzig willensstarke Menschen bei ihrem Start in eine Woche ohne feste Nahrung, dafür mit kilometerlangen Wanderungen begleitet.
Ich wollte herausfinden, ob Heilfasten in Gemeinschaft besser funktioniert als allein (denn daran bin ich vor einigen Jahren gescheitert) und aus welcher Motivation heraus die TeilnehmerInnen solch einen herausfordernden Urlaub gebucht habe. Dass ich dabei sieben Stunden lang und 17 Kilometer weit über Stock und Stein kraxeln würde, hätte ich nicht gedacht.
Dass ich dabei auf so viele interessante Menschen treffen würde, aber auch nicht.
Ein Morgen beim Fastenwandern startet früh: Um 7:45 Uhr stehe ich bereits mit einem Dutzend TeilnehmerInnen zur Morgengymnastik unter freiem Himmel parat. Der Weg von der Jugendherberge in die Natur, er war kurz. Ich musste einfach nur vor die Tür treten.
Direkt vor dem Haus rauscht die Bode zwischen Felsschluchten hindurch, direkt gegenüber ragt die sagenumwobene Roßtrappe imposant in Richtung Himmel. Keine Frage: Wer Gebirge mag, ist hier, am Eingang zum Bodetal, goldrichtig.
Ich atme tief ein und aus. Lasse die Arme nach oben steigen und wieder nach unten. Folge den Anleitungen von Antje, die in dieser Woche im Programm vorrangig die Gymnastik am Morgen und die Yoga-Einheiten am Abend leitet. Und schaue in die Runde. Erkenne Heiko und Claudia wieder, die ich bereits gestern Abend, am Anreisetag, kennengelernt habe. als sie nach einer ersten Wanderung die Abendbrühe im Speiseraum der Jugendherberge zu sich nahmen.
Die abendliche Brühe, sie ist in dieser Woche die einzige warme Mahlzeit – wenn man sie Mahlzeit nennen möchte. Die restliche Zeit des Tages gibt es Wasser, Fastentee und Säfte. Und eine Menge Bewegung. Bis zu 24 Kilometer wandert die Gruppe am Tag, ungefähr 132 Kilometer stehen in der gesamte Woche auf dem Programm.
Sorgenfalten sehe ich in den Gesichtern der Teilnehmer allerdings nicht. Jetzt am frühen Morgen ebenso wenig wie gestern Abend. Im Gegenteil: es wird geplaudert und gescherzt. Zuversichtlich lächelnde Gesichter rund um mich herum. Dass die dazugehörigen Mägen leer sind, mag man kaum glauben.
Aber genau das sei ja ohenhin das Geheimnis, erklärt mir Gabi Nendel: „Wenn Magen und Darm komplett gereinigt sind, dann gibt es kein Hungergefühl, sondern Leichtigkeit. Wer keine Energie zum Verdauen benötigt, hat Energie für andere Dinge.“ Gabi muss es wissen: Sie leitet seit inzwischen 13 Jahren die Fastenreisen in der Jugendherberge Thale, zweimal im Jahr.
Abbrecher gäbe es bei diesen Reisen in der Regel nicht: „Wenn jemand aussteigt, dann sehr schnell am Anfang. Dann aber meistens nicht wegen des Fastens an sich, sondern weil ihm die Gruppe nicht behagt, er sich die Gegebenheiten vor Ort anders vorgestellt hat oder Ähnliches.“ Alle anderen hielten durch, so Gabi. Weil die Gemeinschaft sie trägt. „Und weil der Körper es schlicht und ergreifend bewältigen kann. Wir haben genug zuzusetzen. Wer alle zwei Tage seinen Darm reinigt und ansonsten viel trinkt, kann es problemlos schaffen. Vorausgesetzt, es gibt keine gesundheitlichen Einschränkungen, die gegen das Heilfasten sprechen.“
Nach einer halben Stunde geht es für die Morgensportler und mich wieder zurück in die Jugendherberge. Im Aufenthaltsraum sitzen bereits einige andere TeilnehmerInnen beim dampfenden Tee beisammen. Sie tragen Funktionsjacken und Trekkinghosen. Ich sehe Wanderstöcke, Rucksäcke und Thermoskannen. Jede Menge Thermoskannen! Behutsam werden sie mit Tee gefüllt und im Wandergepäck verstaut.
Die Gruppe versammelt sich vor der Jugendherberge, alle treten vorsichtig die Treppenstufen hinab. Es ist rutschig, ein bisschen vereist. Wie derzeit an vielen Stellen im Harz. Schon gestern Abend hatte Gabi berichtet, dass vor allem die Wanderwege, die tagsüber im Schatten liegen, mancherorts schwer begehbar seien. „Mal sehen, was uns erwartet. Im Zweifelsfall müssen wir umkehren und eine andere Strecke nehmen.“
Wir überqueren die Bode und schon nach wenigen Gehminuten geht es bergauf. Morgensonne fällt auf Rucksäcke und Wanderschuhe. Es dauert nicht lang und die Gruppe fällt ein wenig auseinander. An der Spitze setzen sich die schnellen Teinehmer ab, der Rest teilt sich gleichmäßig über gut zweihundert Meter auf.
Ich komme mit Heiko ins Gespräch, einem humorvollen Vertriebler aus der Nähe von Münster. Es ist nicht seine erste Fastenreise, allerdings die erste in einer Jugendherberge. „Bislang war ich immer am Meer fasten. Auf Sylt, Rügen und Norderney. Ein Unterschied, der mir gestern sofort aufgefallen ist: Hier machen mehr Männer mit. Auf den Inseln waren es fast nur Frauen.“ Heiko hat recht: Die rund 40köpfige Gruppe ist gleichmäßig gemischt. Es sind einige Pärchen dabei, aber die Einzelreisenden sind in der Überzahl.
Warum er jährlich eine Fastenreise macht, frage ich Heiko. „Weißt Du, ich habe einen Job, der sich vorrangig im Auto und im Hotel abspielt. Ich bin viel auf Geschäftsreise, esse abends oft spät und üppig. Ich versuche mit diesen Reisen immer wieder, meine Ernährungsweise ein bisschen mehr ins Gleichgewicht zu bringen. Meist klappt das nach kurzer Zeit im Alltag nicht mehr, aber zumindest hat man dem Körper mal etwas Gutes getan und auch ein paar Kilo verloren. Ich gebe zu: Gewicht zu reduzieren ist auch ein Grund.“
Nach ungefähr einer halben Stunde treffen wir die geschwindigkeitsstarke Spitzentruppe wieder. An einer Weggabelung wird die erste Rast eingelegt. Jacken werden aufgeknöpft, Thermoskannenbecher mit Tee gefüllt. Claudia und ich lehnen an einem Zaun in der Sonne. Die Oldenburgerin fastet zum ersten Mal und ist ganz allein nach Thale gereist. Mann und Kinder sind zuhause geblieben. „Im Familien-Alltag würde ich es vermutlich nicht hinbekommen, als einzige nicht zu essen“, meint sie. Ich nicke: „Ja, das stelle ich mir auch schwierig vor.“
Was ich mir weniger schwierig vorstelle, ist, die Wanderung des heutigen Tages zu überstehen. Wenn es in diesem Tempo weitergeht und tatsächlich regelmäßig Verschnaufspausen eingelegt werden – dann sollte das alles kein Problem werden. Spoiler: Ich lag falsch!
Gut ein Viertelstunde später werde ich bereits eines besseren belehrt: Wir alle schlittern über einen vereisten Wanderabschnitt, der immer wieder Besserung verspricht, um dann doch noch eine Schippe mehr der Unwägbarkeiten drauf zu legen. Es ist stellenweise so glatt, dass kein Wanderschuhprofil noch Halt hat.
Halt finden und Halt geben – das ist also die Aufgabe. Wer gerade sicheren Boden unter den Füßen hat, reicht seinem Hintermann die Hand. Oder ruft ihm zu, wohin er seinen Fuß am besten als nächstes setzt. Einige wenige haben währenddessen ein solches Urvertrauen ins Vorankommen, dass sie scheinar mühelos selbst die schwierigsten Abschnitte überqueren. Ich gehöre definitiv nicht dazu und frage mich, während ich mich an einen vertrockneten Zweig klammere, was wohl passiert, wenn ich mir hier jetzt den Fuß breche…
Doch niemand bricht sich während des herausfordenden Aufstiegs irgendwas. Alle erreichen sicher die Roßtrappe, wo eine große Saftpause eingelegt wird. Die Saftpause, sie ist wie die Honigpause am Nachmittag eines der kulinarischen Highligts des Tages. Man wird automatisch genügsam, wenn man sonst nur Tee und Wasser zu sich nimmt. Ein Rote-Beete-Saft ist in solch einer Woche genauso energiespendend wie es sonst der Vormittagskaffee verspricht, ein Löffel Honig so tröstend wie ein Stückchen Kuchen.
Als Fastenwanderneuling hatte ich keine Thermoskanne eingesteckt, als ich mich auf den Weg nach Thale gemacht habe. Ich stehe also ohne Becher da, während alle anderen ihren Saft genießen. Da ich nur einen Tag beobachtend dabei bin, habe ich außerdem auch etwas am Morgen gefrühstückt – das wissen alle anderen. Trotzdem bekomme ich, ohne danach zu fragen, einen Becher geliehen und kann den Rote-Beete-Mix ebenfalls probieren. Sehr freundliche Leute sind sie ja schon, diese Fastenwanderer. Und von mürrischer Laune aufgrund von Hunger auch jetzt keine Spur.
Ich laufe eine Weile mit Christel aus Berlin voran. Christel entpuppt sich als DJH-Stammgast. Ich frage nach ihrem letzten Jugendherbergs-Aufenthalt. Sie schmunzelt: „Vor zwei Wochen, auch hier in Thale. Als Vorbereitung aufs Fasten habe ich beim Rohkostwandern teilgenommen. “ Ach? Rohkostwandern? Ich spitze die Ohren. „Ja, der Name verrät es ja schon: Wir haben nur Rohkost gegessen und sind auch täglich gewandert. Allerdings sind die Touren nicht ganz so lang gewesen wie in dieser Woche. Maximal 15 Kilometer.“
Christel ist eine auffällig schlanke freundliche Frau, die ich auf Anfang 60 schätze. Was bringt sie dazu, beim Fastenwandern dabei zu sein? „Ach, gut ernähren tue ich mich eigentlich ohnehin, das ist nicht der Grund. Vielleicht hat es ein wenig mit dem Tod meines Mannes vor einigen Jahren zu tun. Wir waren beide selbständig, haben viel gearbeitet, uns schlecht ernährt. Mein Mann war deutlich übergewichtet, ich hatte auch viel mehr Kilos als jetzt. Seit ich allein bin, esse ich anders, reise viel – und hier kommt irgendwie beides zusammen.“
Als wir das sogenannte „Hamburger Wappen“ auf der Teufelsmauer erreichen, eine große Felsformation, bin ich bereits ziemlich geschafft. Ich blicke auf die Uhr: Es ist 15.38, wir haben rund 15 Kilometer Wanderung hinter uns. Soweit die gute Nachricht. Die für mich persönlich weniger gute: Es liegen noch gut drei Stunden und 9 Kilometer vor uns. Allerdings gibt es ein kleines Schlupfloch: Bei allen Wanderungen gibt es eine frühzeitige Ausstiegsmöglichkeit. So auch an diesem Tag in Blankenburg, von wo aus man mit dem Bus zurück nach Thale fahren könnte. Ein verlockendes Angebot, wie ich in diesem Moment finde.
Für Menschen wie Andonio ist es hingegen keine Frage, ob er die gesamte Strecke absolviert oder nicht. Der gebürtige Spanier, der heute in Ludwigshafen lebt und arbeitet, ist bereits das fünfte Mal bei der Fastenreise in Thale dabei. Von Jahr zu Jahr nahm die Beschäftigung mit dem Thema Gesunderhaltung des Körpers in Verbindung mit der Ernährung mehr Bedeutung ein. Erst wurde er Vegetarier, jetzt ernährt er sich sogar vegan. Und obwohl er allein fastenwandert, haben sich auch innerhalb seiner gesamten Familie die Essensgewohnheiten verändert.
Der Verzicht aufs Essen, das ist ein Muss bei dieser gemeinsamen Fastenreise. Für alles andere gilt: Alles kann, nichts muss. Wer morgens lieber geruhsam meditierend in den Tag starten oder noch etwas länger schlafen möchte, der darf auf die Morgengymnastik verzichten. Gleiches gilt für das Yoga am Abend, die angebotenen Massagen und die Filmabende. „We feed the world“ wird diese Woche unter anderem gezeigt.
Auch die Dauer der täglichen Wanderung kann, wie oben bereits angedeutet, etwas variiert werden. Meist gibt es zwischenzeitlich ein Möglichkeit, auszusteigen, falls die Anstrengung für den Körper zu groß wird. Einen Tag komplett aufs Wandern zu verzichten, das wird allerdings nicht empfohlen und verstößt auch ein bisschen gegen die Teilnehmer-Ehre. „Wer aufs Wandern verzichtet, tut sich nichts Gutes“, weiß Leiterin Gabi. „Wenn man sich beim Fasten wenig bewegt, beginnt der Körper damit, Muskeln abzubauen. Wer hingegen in Bewegung bleibt und die Muskeln beansprucht, fördert den Fettabbau. Außerdem vergeht die Zeit schneller.“
Ich entscheide mich in Blankenburg für den frühzeitigen Ausstieg aus der Wanderung. Was mich beruhigt: ungefähr die Hälfte der Gruppe tut es mir gleich. Zurück in der Jugendherberge springe ich als erstes unter die heiße Dusche. Lange nicht hat mir ein Badezimmerbesuch so gut getan. Und lange nicht fühlte sich das anschließende Abendbrot so gut an.
Wie mir mit meinem Käsebrot ergeht es der Fastenwandergruppe mit ihrer Abendsuppe. Genüsslich wird sie gelöffelt, alle sehen zufrieden und sauerstoffgetränkt aus. Heiko prüft auf seinem Handy den Schrittzähler, Claudia strahlt stolz übers ganze Gesicht – beide haben heute die Gesamtstrecke geschafft.
Eine Woche später, ich telefoniere mit Heiko, der bereits wieder als Vertriebler im Einsatz ist. Zwei Tage sind seit der Rückreise nach Hause vergangen. Wie es ihm und allen anderen noch ergangen ist, möchte ich wissen. „Gut war´s. Wir haben nahezu alle durchgehalten. Es gab lediglich einen Teilnehmer, der aufgrund von Grippe aussteigen musste. Und eine andere Frau hat Mittwoch abgefastet. Das Highlight war das gemeinsame Fastenbrechen am Samstag: Wir haben auf unserer Wanderung am Vormittag gestoppt, einen improvisierten Tisch schön eingedeckt und einen Apfel gegessen. Du kannst Dir nicht vorstellen, was für eine Stille in diesem Moment geherrscht hat. Das war herrlich!“
Überhaupt, so berichtet er weiter, fand er es wunderbar, dass zwischen dem Fastenbrechen und der Abreise noch ein gemeinsamer Tag lag. „Bei meinen bisherigen Fastenwanderungen war gleich nach dem Fastenbrechen Abschied angesagt. Dass man noch zwei Einstiegsmahlzeiten gemeinsam einnimmt, gefällt mir besser.“
8 Kilo hat Heiko bei der Fastenwanderung im Harz verloren, mindestens zwei neue Freunde dazugewonnen. „Ich habe während der Woche so viele interessante und beeindruckende Lebensgeschichten gehört, das hab ich in dieser Form nicht erwartet“, fasst er die Begegnungen der Reise zusammen. „Mit Johannes und Maria bin ich übrigens gemeinsam mit meiner Frau und meiner Tochter für Ostern verabredet. Dann gehen wir mit ihren beiden Alpakas wandern.“ Dieses Angebot - Wandern mit Alpakas - gibt es auch in den Jugendherbergen!
In der Gruppe scheint Fasten, wenn man es unter Anleitung beginnt, wirklich ausgesprochen gut zu funktionieren. Es passiert nahezu nebenbei, im Vordergrund stehen die Wanderungen. Wer sich fürs Fastenwandern in der Jugendherberge Thale entscheidet, sollte Lust aufs Draußensein und auf lange Märsche mitbringen.
Man muss kein Bergsteiger oder Profisportler sein, aber Kondition braucht man schon. Die wichtigsten Utensilien sind eindeutig gute Schuhe, ein Rucksack und eine Thermoskanne. Und Neugier auf Menschen, die etwas zu erzählen haben, denn die trifft man bei diesem Reiseformat wirklich in hoher Zahl.
Kommentare (1)
Kloz
am 01.04.2023